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Patientenstorys

Vom Erfahrungsaustausch bis zur politischen Relevanz

In Kooperation mit
Foto: Priscilla Du Preez via unsplash
In Kooperation mit
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Helga Thurnher

Obfrau der Allianz der onkologischen PatientInnen­organisationen und Obfrau der Selbsthilfe Darmkrebs

Tel: 0676/9340746

Hilfe zur Selbsthilfe: Selbsthilfeorganisationen sind und bleiben die erste Anlaufstelle für Patient(inn)en und ihre Angehörigen. Nun kommt Rückenwind.

Kein kollektives Jammern, sondern eine Begegnung mit Vertrauensvorschuss

Die Geschichte der Selbsthilfe ist eine von Eigeninitiative, Erfahrungsaustausch und Selbstbestimmung. Das sind historisch gesehen die Kernelemente der Selbsthilfe. Oftmals kämpft sie mit ein paar Vorurteilen – allen voran der Irrglaube an ein kollektives Jammern.

In Selbsthilfegruppen und Patienten- organisationen finden sich Menschen – Patient(inn)en oder Angehörige –, die ein gemeinsames Thema verbindet, die unter der gleichen Krankheit, derselben körper- lichen Einschränkung oder seelischen Konfliktsituation leiden. Diese sind in der physischen Welt oder in digitalen Räumen organisiert.

Patient(inn)en und ihre Angehörigen können sich dort das Wissen, die Erfahrung und die Kompetenz aneignen, die sie brauchen, um ihre Krankheit besser bewältigen zu können. Verbindliche Begegnungen und ein gewisser Vertrauensvorschuss inklusive.

Patientenvertreter(innen) erbringen aber auch wichtige ergänzende Leistungen, die der institutionelle und professionelle Sektor nicht übernehmen will und kann. Dazu gehören zum Beispiel tiefgreifendere Information über die einzelnen Erkrankungen, ergänzende Hilfe und Betreuung, aber auch die Förderung der Früherkennung und der Awareness.

Selbsthilfeinitiativen dienen Patient(inn) en auch als organisierte Lobbystruktur, denn Patientenorganisationen bilden aus Einzel- fällen eine Gruppe. Schließlich geht es auch darum, sich als „Verbraucher(in)“ im Versorgungsmarkt „Gesundheit“ besser behaupten zu können. So kommt es, dass Vertreter(innen) dieser Organisationen inzwischen akzeptierte und gefragte Partner(innen) der professionellen Versorgung im Gesundheitswesen geworden sind. Man spricht hier von qualifizierten Patient(inn)enstimmen, der englische Begriff ist „Patient Advocacy“.

Patient Advocacy ist also das Schlagwort der Stunde, das auch in Österreich die Situation der onkologischen Patient(inn)en weiter verbessern kann.

Um diesem Ziel einen deutlichen Schritt näherzukommen, wurde nun die Allianz der onkologischen Patientenorganisationen in Österreich gegründet. Der Verein ist ein Zusammenschluss von Patientenorganisationen und Interessenvertreter(inne)n und soll eine breit gefächerte Expertise aus dem Bereich der Onkologie bündeln und den Austausch zwischen allen Interessengruppen im Bereich der Onkologie fördern.

Ein geflügeltes Wort, das Gutes will

In erster Linie geht es bei Patient Advocacy um die Stärkung der Interessen von Patientinnen und Patienten. Die Patientenvertreter(innen) sollen bei den Entscheidungen für mehr Transparenz und

Patientenorientierung sorgen, einschließlich der Berücksichtigung von Aspekten wie Erfahrung und Lebensqualität. Es geht darum, Patient(inn)enrechte zu erkennen und zu wahren, Angst vor den Heraus- forderungen zu nehmen und Patient(inn) en dabei zu stärken, die Verantwortung für ihren Körper und ihre Behandlung mutig zu übernehmen.

Historisch gesehen begann die Bewegung der Vertretung von Krebspatient(inn)en in den 1980er-Jahren in den USA. Davor gab es nur wenige, die ihre Interessen durch die engagierte Unterstützung politischer Ziele, Ideen oder Initiativen wahrnahmen.

Bis heute geht es im Bereich der Onkologie bei Patient Advocacy konkret um die aktive Interessenvertretung für Menschen mit Krebs in der Öffentlichkeit, in gesundheitspolitischen und medizinischen Gremien sowie gegenüber Forschung, Krankenkassen und der Pharmaindustrie.

Ebenfalls wichtig: Krebs ist nicht gleich Krebs. Aufgrund einer Vielzahl von unterschiedlichen Herausforderungen gehören qualifizierte Patient(inn)enstimmen zu den treibenden Kräften, wenn es um Trans- parenz, Behandlungsqualität und die verbesserte Versorgung in den einzelnen Indikationen geht. Auch beim Zugang zu innovativen Therapielösungen, optimiertem Studiendesign, dem Fokus auf Lebensqualität, Awareness und Erfahrungsaustausch spielen Patientenvertreter(innen) oftmals eine entscheidende Rolle.

Patient Advocacy in der Praxis

Die Realität sieht heute noch anders aus, die Vision einer optimalen Versorgung von Patient(inn)en ist noch ein Stück weit entfernt. Die Gründe dafür? Qualifizierte Patient(inn)enstimmen sind in Gremien, Ausschüssen und an Verhandlungstischen noch viel zu selten eingebunden. Denn in vielen Fällen wird über statt mit uns Patient(inn)en gesprochen.

Die Allianz der onkologischen Patientenorganisationen möchte diesen Umstand ändern und zielt auf ein solidarisches, bedürfnisorientiertes, qualitätsgesichertes, transparentes und flächendeckendes Versorgungssystem.

Dazu braucht es allerdings die Einbindung von Patientenorganisationen in Forschung und Entwicklung, gestärkte Patientenorganisationen, deren Einbindung in Fachgremien und Expert(inn)enrunden, gut ausgebildete Patient(inn)enstimmen, mündige Patient(inn)en und die Etablierung von Shared Decision Making, also der partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Ärzt(inn)en und ihren Patient(inn)en, in der Medizin.

Wir freuen uns darauf, an diesen Zielen gemeinsam arbeiten zu dürfen.

Mitglieder – Die Allianz onkologischer PatientInnenorganisationen

Lungenkrebsforum Österreich
vertreten durch Franz Buchberger
www.lungenkrebsforum-austria.at

Multiples Myelom Selbsthilfe Österreich
vertreten durch Tho­mas Derntl & Sonja Pearsall www.multiplesmyelom.at

Chance for Cancer Survivors
vertreten durch Michael Feilmayr
www.cancersurvivors.at

Kurvenkratzer InfluCancer
vertreten durch Mar­tina Hagspiel
www.influcancer.com

CCI Europe
vertreten durch Anita Kienesberger
www.ccieurope.eu

Myelom- Lymphomhilfe Austria
vertreten durch Elfi Jirsa
www.myelom-lymphom.at

Hoffnungsvoll – Frauen und Krebs
vertreten durch Sabi­ne Spitz

Frauenselbsthilfe nach Krebs Vorarlberg
vertreten durch Monika Jäger & Ida Mader
www.frauenselbsthilfe.at

Karl Landsteiner Institut für Kran- kenhausorganisation
vertreten durch Guide Offermanns & Andrea Schweiger www.karllandsteiner.at

NF Kinder Austria
vertreten durch Claas Röhl
www.nfkinder.at

GIST Support Austria
vertreten durch Rainer Sawdyk
www.gistsupport.at

EUPATI Austria
vertreten durch Sabi­ne Spitz
www.at.patientsacademy.eu

Selbsthilfe Darmkrebs
vertreten durch Helga Thurnher
www.selbsthilfe-darmkrebs.at

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