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Medizinisch-Taktile Untersuchung

Was die Hände wissen müssen

In the Hospital, Female Patients Undergoes Mammogram Screening Procedure Done by Mammography Technologist. Modern Technologically Advanced Clinic with Professional Doctors. Breast Cancer Prevention Screening.
In the Hospital, Female Patients Undergoes Mammogram Screening Procedure Done by Mammography Technologist. Modern Technologically Advanced Clinic with Professional Doctors. Breast Cancer Prevention Screening.
iStock/gorodenkoff

Sylwia Pietr ist ausgebildete Medizinisch-Taktile Untersucherin. In Österreich ist dieses Berufsbild noch nicht offiziell anerkannt. Beim Sozialunternehmen discovering hands ist sie derzeit im Rahmen eines Pilot- und Studienprojektes im Einsatz und erläutert hier ihr Fachgebiet.

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Sylwia Pietr

Medizinisch-Taktile Untersucherin © Foto: discovering hands/Sima Prodinger

Als Medizinisch-Taktile Untersucherin wissen Sie viel über die weibliche Brust. Können Sie uns erläutern, wie diese aufgebaut ist?

Die Brust baut sich aus verschiedenen Gewebearten auf, die sich wegen ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit auch unterschiedlich anfühlen. Wenn eine Frau ihre Brust zum ersten Mal abtastet, fühlt sich das Gewebe häufig viel „knubbeliger“ als erwartet an. Vor allem junge Frauen haben häufig eine knotige und feste Brust. Mit zunehmendem Alter ersetzt Fettgewebe das Drüsengewebe. Nach den Wechseljahren fühlen sich die Brüste daher oft weicher an. Wichtig ist: Jede Frau ist einzigartig und das drückt sich auch in der Gewebestruktur aus. Folglich fühlt sich auch jede Brust anders an.

Welche Gewebearten gibt es denn konkret und wie erspürt man diese?

Da gibt es zuerst einmal das Fettgewebe. Das fühlt sich relativ weich an, ungefähr so wie ein Marschmallow. Dann haben wir das Bindegewebe. Es hält die Brust in Form und umschließt gleichzeitig das Drüsengewebe wie ein Handschuh die Hand. Je nach genetischer Veranlagung kann das Bindegewebe von schwach bis sehr stark ausgebildet sein. In letzterem Fall kann es sich sehr fest anfühlen. Im oberen, äußeren Viertel findet sich mehr Drüsengewebe. Dieser Bereich fühlt sich daher häufig besonders körnig und knotig an.

Was kann man noch selbst ertasten?

Die Milchdrüsenläppchen und Milchgänge. Sie fühlen sich je nach Bindegewebsummantelung und hormoneller Situation weicher oder fester an. Bei Frauen, die nicht stillen, liegen unter der Brustwarze leere Milchgänge, die sie in etwa wie einen Trichter im Gewebe wahrnehmen können. Hinter dem Brustgewebe liegen die Rippen und die Brustmuskulatur, zwischen den Brüsten liegt das Brustbein, oberhalb von ihnen das Schlüsselbein.

Auch diese Strukturen lassen sich ertasten. Die Brustumschlagfalte oder anders gesagt der untere Rand der Brust kann sich bei manchen Frauen durch Hautveränderungen knotig anfühlen. Auch die Lymphknoten in der Achselhöhle und am Schlüsselbein sollte man auf ihre Größe prüfen. Sie sind für den Abtransport der Lymphe aus dem Brustgewebe zuständig. Es gibt viele harmlose Gründe, warum Lymphknoten vergrößert sein können, wie zum Beispiel eine Erkältung. Es kann aber auch ein Hinweis auf krankhafte Prozesse in der Brust sein.

Warum sollte man regelmäßig selbst die Brust abtasten und was ist zu tun, wenn man Auffälligkeiten erkennt?

Je regelmäßiger man tastet, desto besser lernt man seine eigene Brust kennen. Optimalerweise beginnt man mit der Selbstuntersuchung unmittelbar nach einer Kontrolluntersuchung beim Arzt bzw. nach einer Mammographie. So kann man davon ausgehen, dass das, was man tastet, der Normalzustand der eigenen Brust ist.

Veränderungen können somit gegebenenfalls frühzeitig erkannt werden. Jede Auffälligkeit sollte unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Aber keine Panik: Es gibt sehr viel mehr gutartige Gewebeveränderungen an der Brust als bösartige. Das Gespräch mit Ihrem Gynäkologen oder mit Ihrer Gynäkologin bringt Aufklärung.

Was ist “discovering hands” und die discovering hands-Methode?

“discovering hands” wurde vom deutschen Gynäkologen Dr. Frank Hoffmann gegründet, der die Idee hatte, blinde und stark sehbehinderte Frauen aufgrund ihres herausragenden Tastsinnes in der Brustkrebsfrüherkennung einzusetzen.

Bei dieser Untersuchungsmethode führen blinde bzw. hochgradig sehbehinderte Frauen Brusttastuntersuchungen durch. Der hochentwickelte Tastsinn der Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen (MTUs) in Kombination mit der standardisierten Schulung und Ausbildung ermöglicht, bereits kleinste Gewebsveränderungen zu erkennen. Dieses innovative Konzept bietet Frauen außerdem eine angenehme Untersuchungssituation mit einem hohen Maß an Zuwendung und Zeiteinsatz.

Arzt und MTU bilden damit ein starkes Team für die Patientin. Die MTU tastet gründlich Zeile für Zeile, Zentimeter für Zentimeter nach einem standardisierten Schema das Brustgewebe ab. Die Diagnose stellt immer der Arzt. Die Untersuchung soll die Mammographie nicht ersetzen, sondern bietet eine zusätzliche und sinnvolle Ergänzung in der Brustkrebsfrüherkennung. Somit wird eine Behinderung zu einer Begabung und fördert die Gesundheit.
Mehr unter www.discovering-hands.at

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