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Endometriumkarzinom: Zuhören ist Teil der Therapie

Foto: Felicitas Matern

Univ.-Prof. Dr. Christian Marth

Leiter der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der MedUni Innsbruck

Der Krebs der Gebärmutterschleimhaut gilt als eine der häufigsten bösartigen Erkrankungen. Dennoch fällt es vielen Patientinnen schwer darüber zu reden, erklärt der Gynäkologe Christian Marth.

Wie entsteht das Endometriumkarzinom?

Östrogen und Gelbkörperhormon regen das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut während des Zyklus an. Bei der Monatsblutung wird die oberste Schicht der Schleimhaut wieder abgestoßen. Nach dem Wechsel aber auch bei einer Hormontherapie oder bei Übergewicht kann es dazu kommen, dass Östrogene überwiegen, was das Wachstum und damit eine mögliche Entartung der Schleimhaut anregt. Ein solche Entartung kann in weiterer Folge über Vorstufen zum Entstehen eines Endometriumkarzinoms führen. Neben Übergewicht, Diabetes sowie der erblichen Vorbelastung ist es vor allem das fortgeschrittene Alter, das einen bekannten Risikofaktor, an diesem Tumor zu erkranken, darstellt. Jährlich sind zwischen 900 und 1.000 Frauen betroffen. Damit ist es der häufigste gynäkologische Beckentumor. Für 180 Frauen pro Jahr verläuft dieser immer noch tödlich. Gesamt betrachtet bedeutet das aber, dass über 80 Prozent aller Patientinnen geheilt werden können. 

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Wie entdeckt man den Tumor?

Thomas Mann hat die Erkrankung in seinem Roman „Die Betrogene“ sehr gut beschrieben. Darin geht es um eine Witwe, die sich in einen jüngeren Mann verliebt. Sie leidet darunter, dass sie ihm keine Kinder mehr schenken kann. Als sie eines Tages eine Blutung entdeckt, hält sie das für ein Wiedereinsetzen ihrer Periode. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um ein Endometriumkarzinom, an dem sie letztlich verstirbt. Treten nach dem Wechsel Blutungen auf, sollte man das darum immer abklären lassen. Oftmals handelt es sich um gutartige Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut – aber eben nicht immer. Der Tumor wird jedoch meist früh entdeckt, was sich positiv auf die Heilungsrate auswirkt. Wenngleich seltener, kann die Erkrankung ebenso bereits vor dem Wechsel auftreten und sich durch eine unregelmäßige Blutung bemerkbar machen. Die Unregelmäßigkeit sorgt dafür, dass viele Frauen dies ohnehin abklären lassen, weshalb die Erkrankung auch in jungen Jahren oft rasch entdeckt wird. Gerade wenn es in der Familie viele Fälle von Darmkrebs gibt, sollte man die Möglichkeit eines Endometriumkarzinoms im Hinterkopf behalten. 

Wie erleben Patientinnen die Diagnose?

Es ist immer sehr unterschiedlich, wie Patientinnen reagieren – abhängig vom Alter, vom Schweregrad der Erkrankung und nicht zuletzt von der individuellen Resilienz, die Patientinnen mitbringen. Ich hatte heute eine Patientin, der die Gebärmutter entnommen wird. Die Dame ist etwa 70 Jahre alt und freut sich, dass sie geheilt nach Hause gehen kann. Das ist aber natürlich nicht immer so. Vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter ist die Diagnose natürlich von ganz anderer Bedeutung. Hier versucht man deshalb oft, die Gebärmutter therapeutisch zu erhalten, um den Kinderwunsch nach wie vor ermöglichen zu können. Klar ist: Die Wünsche der Patientin stehen immer Zentrum. 

Wie schwierig ist es, über die Erkrankung zu sprechen?

Ich habe noch die Zeit miterlebt, da hat man gar nicht von Krebs, sondern nur von einer „Veränderung der Gebärmutter“ gesprochen – und auch nur mit den Angehörigen und nicht mit der Patientin selbst. Das hat sich natürlich mittlerweile vollkommen geändert. Dennoch ist es nach wie vor nicht so leicht, als Betroffene darüber zu sprechen. Wie bei allen gynäkologisch relevanten Organen handelt es sich auch hier um ein sehr intimes Thema – vor allem, wenn die Erkrankung sehr früh auftritt. Zuhören und die Person erzählen lassen sind darum ganz wichtig. Es geht auch darum, persönliche und nicht nur unmittelbar medizinische Fragen zu stellen, um zu erfahren, wie sozial eingebettet jemand ist und wieviel Unterstützung das soziale Umfeld bieten kann.

Welche Rolle kommt Angehörigen und Freund:innen zu?

Ich habe schon erlebt, dass eine Patientin ihre Angehörigen bis zum Schluss im Dunkeln über die Erkrankung gelassen hat. Das ist natürlich ihr gutes Recht, weil sie so ihr Umfeld schützen wollte. Natürlich empfehlen wir aber, Ängste und Sorge mit Menschen, die einem nahe stehen, zu teilen. Wir Ärzte und Ärztinnen können nicht allein dabei helfen, die Erkrankung zu bewältigen. Der Kontakt ist ja immer nur punktuell im Rahmen von Terminen möglich. Darum braucht es Menschen, die auch sonst ein offenes Ohr haben. Gibt es diese Unterstützung aus dem privaten Umfeld nicht oder reicht sie schlichtweg nicht aus, kann es auch ratsam sein, sich an die Krebshilfe oder entsprechende Selbsthilfegruppen zu wenden. 

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