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Immuntherapiehilfe für das Spezial-Einsatzkommando des Körpers

Priv.-Doz. Dr. Erika Richtig

Medizinische Universität Graz

Unser Immunsystem ist eines der größten Wunder des menschlichen Körpers. Ist es doch beispielsweise in der Lage, fehlerhaft gewordene körpereigene Zellen völlig selbstständig zu erkennen, zu selektieren und zu zerstören. Als Polizei des Körpers beinhaltet das Immunsystem einige unterschiedliche Komponenten wie etwa die weißen Blutkörperchen, auch Lymphozyten genannt, sowie verschiedene Antikörper, Botenstoffe und Hormone.

All jene ziehen gemeinsam an einem Strang, um den Körper gesund zu halten und Bedrohungen abzuwehren. Besonders wichtig für die Bekämpfung von Tumorerkrankungen sind die Lymphozyten mit ihren T-Zellen. Diesen Zellen gelingt es, anhand ihrer Oberfläche gutartige von bösartigen Zellen zu unterscheiden. Bösartige Zellen werden nach der Erkennung durch toxische Stoffe geschädigt und so abgetötet. Eine Überreaktion des Immunsystems kann aber auch Schäden an gesunden Zellen des Körpers anrichten. Diese Kollateralschäden gilt es zu vermeiden.

Daher bilden diese T-Lymphozyten im Normalfall nach der Bekämpfung bestimmte Rezeptoren, die die gesteigerte Immunantwort wieder abschalten. Der Einsatz ist beendet, die Eingreiftruppe zieht ab. Doch leider gelingt es auch Tumorzellen, Rezeptoren zu bilden, um das Immunsystem zu täuschen, abzulenken und wirkungslos zu machen.

Dadurch werden bösartigen Zellen nicht mehr erkannt, folglich nicht ausreichend bekämpft und können sich so fast ungehindert ausbreiten. Ein Tumor wächst, der Organismus ist an Krebs erkrankt.

Immuntherapie

Die neu entwickelten Immuntherapien sorgen jetzt dafür, dass diese natürliche Selbstbeschränkung des Immunsystems aufgehoben wird. Die Spezial-Einsatztruppe aus Tumor attackierenden T-Zellen greift deutlich härter und entschlossener durch, um bösartige Zellen aufzuspüren und zu vernichten.

„Bei einer Immuntherapie gibt man dem Immunsystem selbst die Chance, ganz gezielt den Tumor zu zerstören“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Erika Richtig von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz.

Demgegenüber ist eine Chemotherapie beispielsweise weitaus weniger exakt auf die Bekämpfung der Tumorzellen ausgerichtet. Sie hemmt nicht nur bösartige Zellen im Wachstum, sondern auch andere, gutartige Zellen, die sich im Körper schnell teilen, beispielsweise die Knochenmarkszellen.

Schwere Nebenwirkungen können die Folge sein. Mit der Immuntherapie gelingt es jetzt, bösartige Tumorzellen durch die körpereigene Eingreiftruppe der T-Lymphozyten sehr viel zielgerichteter aufzuspüren und zu bekämpfen.

„Gerade bei der Bekämpfung von Absiedelungen des des schwarzen Hautkrebses, erweist sich die Immuntherapie als ausgesprochen erfolgreich und wirksam“, so die Expertin.

Der schwarze Hautkrebs

Unter der Bezeichnung „Schwarzer Hautkrebs“ oder auch „Malignes Melanom“ versteht man einen bösartigen Tumor, der zum überwiegenden Teil auf der Haut auftritt.

„In seltenen Fällen kann er aber auch am Augenhintergrund, der Nasenschleimhaut oder im Genitalbereich auftreten“, erklärt Dr. Richtig. Der schwarze Hautkrebs entsteht dann, wenn sich bösartige Zellen aus pigmentbildenden Zellen entwickeln. Dies geschieht oft durch Mutationen, vor denen niemand gefeit ist. Dazu Dr. Richtig:

„Prinzipiell kann jeder ein malignes Melanom bekommen. Es gibt aber bestimmte Risikofaktoren, etwa wenn es in der Familie schon Melanom-Erkrankungen gegeben hat.

Dann ist die Wahrscheinlichkeit, selbst am schwarzen Hautkrebs zu erkranken, deutlich höher. Auch gibt es klare Hinweise auf der Haut, ob jemand ein erhöhtes Risiko für Melanome hat. Dazu gehören beispielsweise all jene Personen, die mehr als 50 normale Muttermale auf der Haut haben. Aber auch Menschen, die mehr als 5 atypische (ungewöhnliche) Muttermale haben. Darunter versteht man Muttermale, die zerfranst oder ungleichmäßig pigmentiert sind.“

“Mit der Entwicklung der Immuntherapie wird sich nicht nur die Behandlung des Melanoms, sondern auch die anderer Krebsarten in Zukunft grundlegend verändern.”

Als weiterer Risikofaktor gelten laut der Dermatologin häufige Sonnenbrände in der Kindheit. Da die Haut im Kindesalter noch nicht hundertprozentig ausgereift ist, wirken sich solche frühen Schäden später im Erwachsenenalter offenbar negativ aus.

Übermäßiger Aufenthalt in der Sonne mit ungeschützter Haut sollte aber nicht nur bei Kindern, sondern bei allen Altersgruppen unbedingt vermieden werden. Denn so angenehm die Sonne auch ist, so gefährlich können ihre ultravioletten Strahlen für unsere Haut sein.

Dies sieht man deutlich durch die vorzeitige Hautalterung, es kann zu unschönen Pigmentflecken, aber vor allem auch zu anderen Formen von Hautkrebs (besonders zum hellen Hautkrebs) kommen.

Mittel und Wege gegen Melanome

„Der schwarze Hautkrebs durch eine einfache Operation sehr gut heilbar“, stellt Dr. Richtig aber unmissverständlich fest und macht so Hoffnung. „Ganz entscheidend ist jedoch, dass ein Melanom so früh wie möglich erkannt wird. Denn wenn nicht, kann es selten, aber doch zur gefürchteten Metastasenbildung kommen und dann sind die Aussichten auf Heilung weniger möglich.“

Daher ist es wichtig, sämtliche Muttermale regelmäßig beim Hautfacharzt kontrollieren zu lassen und selbst bemerkte etwaige Veränderungen im Aussehen sehr ernst zu nehmen.

Wächst etwa ein bestehendes Muttermal plötzlich an einem Rand, verändert sich oder entsteht auf der normalen Haut plötzlich ein rasch wachsendes neues Muttermal, sollte man schnellstmöglich den Arzt aufsuchen. Im Idealfall wird es dann, wenn sich der Verdacht bestätigt, schnell und unkompliziert mit einer einfachen Operation entfernt.

Sollte es aber trotzdem zum Auftreten von Absiedelungen kommen, wird in vielen Fällen zusätzlich zur Operation dann auch die Immuntherapie eingesetzt. Doch die Immuntherapie braucht auch Zeit, um ihre Wirkung entfalten zu können.

„Im Gegensatz zu Behandlungen, die sich wie die Chemotherapie auf die Tumorzelle selbst konzentrieren (z.B. Hemmer von Signalübertragungswegen in der Tumorzelle), benötigen die durch die Immuntherapie nicht mehr gebremsten T-Lymphozyten manchmal Wochen, um den Tumor erfolgreich bekämpfen zu können.“

Daher wird laut der Expertin manchmal zuerst die Tumorlast operativ oder durch eine rasch wirksame Tumortherapie gesenkt, bevor eine Immuntherapie zum Einsatz kommt.

Nebenwirkungen der Immuntherapie

Natürlich können auch bei der Immuntherapie Nebenwirkungen auftreten. „Die Nebenwirkungen lassen sich ganz einfach daraus ableiten, dass unser Immunsystem manchmal auch Strukturen als fremd oder bösartig erkennen und attackieren kann, die mit dem Tumor selbst nichts zu tun haben, sprich gutartig sind“, weiß Dozentin Richtig zu berichten.

„So attackiert das Immunsystem beispielsweise Zellen der Schilddrüse oder des Darmes, was zu sehr unangenehmen Folgeerkrankungen, wie z.B. Durchfällen, führen kann. Man bezeichnet dies auch als sogenannte autoimmune Nebenwirkungen: Der Körper greift sich selbst an.

“Die rasche Erkennung dieser Nebenwirkungen und deren Abgrenzung von Infektionen oder anderen Ursachen ist für ihre Behandlung, die in einer Bremsung des Immunsystems bestehen kann, wichtig“.

Vergangenheit und Zukunft

Die Immuntherapie als vierte Behandlungssäule nach Chirurgie, Strahlentherapie und in den Stoffwechsel/Signalübertragungsweg der Tumorzelle eingreifende Therapie bei Krebserkrankungen ist noch relativ jung.

Sie wurde primär zur Bekämpfung des schwarzen Hautkrebses entwickelt, wurde aber auch bereits für bestimmte Formen des Lungenkrebses zugelassen und steht auch in der Bekämpfung etlicher anderer Tumore und Krebserkrankungen vor der Zulassung.

„Momentan laufen viele klinische Studien, in denen man herauszufinden versucht, bei welchen Tumoren die Immuntherapie auch noch wirksam helfen könnte“. Denn die Immuntherapie soll nicht nur allein bei Melanomen zum Einsatz kommen.

„Das Maligne Melanom ist nur der Paradetumor dafür, weil er sehr gut zu beobachten und zu erforschen war.“ Laut der Expertin wird die Immuntherapie in Zukunft eine der wichtigsten Säulen in der Krebstherapie werden.

„Noch steht die Forschung ganz am Anfang, es werden sich wohl noch andere Anwendungen dafür auftun. Aber man darf nicht den Fehler machen, andere Säulen der Krebstherapie zu vernachlässigen. Und man darf letztendlich nie vergessen, dass nicht jeder Patient für eine Immuntherapie in Betracht kommt!“, stellt Dr. Richtig fest.

Da jede Krebserkrankung und jeder betroffene Körper anders ist, wird es auch in Zukunft immer individuell auf jeden Patienten abgestimmte Behandlungsangebote geben müssen.

Eine Behandlung, die für den einen Patienten erfolgversprechend ist, muss es für den anderen nicht sein. Daher bleiben auch die übrigen drei Säulen der Krebstherapie nach wie vor gültig. Doch dank der Immuntherapie ist in der Geschichte der Krebsbehandlung wohl ein neues Zeitalter angebrochen.

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