Home » Expertise » Erhaltung der Lebensqualität
Expertise

Erhaltung der Lebensqualität

Lungenkrebs ist die am häufigsten zum Tode führende Krebserkrankung. Die Medizin macht aber Fortschritte. Ein Expertengespräch mit dem Onkologen Dr. Maximilian Hochmair.

avatar

Dr. Maximilian Hochmair

Leiter der Onkologischen Ambulanz und Tagesklinik, Otto Wagner Spital

Was ist NSCLC eigentlich genau?

NSCLC steht für non-small-cell Lung Cancer, also nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom. Grundsätzlich unterscheiden wir immer in zwei Gruppen, small-cell und non-small-cell. NSCLC macht rund 85 Prozent der Erkrankungen aus, allerdings hat es gerade bei dieser Form in den letzten Jahren wirklich große Fortschritte in der Forschung gegeben, speziell hinsichtlich der systemischen Therapie.

Gibt es da weitere Unterscheidungen?

Ja. Den Großteil von NSCLC macht das sogenannte Adenokarzinom aus, ein bösartiger Tumor, der aus Drüsengewebe hervorgegangen ist und etwa 50 bis 60 Prozent beträgt. Ein weiterer Typ ist das Plattenepithelkarzinom, das etwa 20-30 Prozent betrifft. Die dritte Gruppe nennt man NOS, not-otherwise-specified, die in keine der beiden vorgenannten Gruppen eingeordnet werden kann. Sie können Merkmale beider Formen haben, müssen aber nicht. Zu guter Letzt wären noch die großzelligen Karzinome zu nennen, die besonders selten auftreten.

Können Sie beschreiben, was diese Krebsart genau macht, wie sie „tickt“?

Der Krebs wächst wo hinein, wo er nicht hineinwachsen sollte und vergrößert sich, obwohl er nicht wachsen sollte. Er hat sozusagen eine Fehlinformation darüber, wohin er wachsen soll. Wenn man versucht, es so einfach wie möglich in Worte zu fassen, stößt man natürlich schnell auf Grenzen, aber so könnte man es beschreiben.

Wie sieht die Diagnose aus? Hat es da Verbesserungen gegeben?

Da ist eines vorauszuschicken: Ein generelles Screening bzw. Früherkennungsprogramm, wie man es etwa von der Brustkrebsvorsorge oder von Magen-/Darmkarzinomen schon längst kennt, können wir derzeit nicht empfehlen. Daran wird allerdings gearbeitet. Leider funktioniert helfen regelmäßiges Lungenröntgen, Abgabe von Sputum oder Untersuchung der Atemluft nicht, eine Lungenkrebserkrankung früher zu erkennen.

Heute ist es so, dass an einer Methode mit einer Low-Dose-CT bei HochrisikopatientInnen gearbeitet wird, aber da laufen noch Studien. Bei dieser Methode wird mit einer reduzierten Röntgenstrahlung gearbeitet, um die Diagnose früher stellen zu können. Generell kann ich nur jedem empfehlen, das Rauchen möglichst bald aufzugeben oder besser mit dem Rauchen gar nicht erst zu beginnen.

Wie weit sind diese Forschungen fortgeschritten?

Das Problem beim Screening mit Low-Dose-CT ist, dass wir manchmal Herde treffen, die überhaupt nicht bösartig sind und damit natürlich PatientInnen – oft unnötig – psychisch belasten bzw. auch eine intensive Diagnostik in weiterer Folge verlangen, die dann mit unter unnötig war. Da ist die Forschung leider noch nicht so weit, wie wir es uns wünschen würden, aber es wird sehr umfangreich daran gearbeitet.

Wie wird heute die Diagnose gestellt?

Meistens sind es PatientInnen, die bereits Beschwerden haben. Typisch sind Husten mit oder ohne Auswurf, Atemnot, Bluthusten, systemische Beschwerden wie Gewichtsverlust mit unklarer Genese. Ein Beispiel wäre ein COPD-Patient, dessen Husten sich verändert hat. Meistens führt der erste Weg zum Lungenfacharzt, welcher den Patienten zuerst untersucht, ein Lungenröntgen mit anschließender Computertomographie macht.

Dieser findet dann eine Raumforderung, einen Rundherd oder irgendeine Veränderung auf der Lunge, die nicht passt. Der nächste Schritt ist dann zumeist eine Bronchoskopie, also eine Spiegelung der Atemwege, wo versucht, wird Gewebe aus dieser Veränderung zu gewinnen.

Wie steht es heute um die Therapiemöglichkeiten?

In der Therapie gibt es grundsätzlich drei Säulen – Operation, Strahlentherapie und systemische Therapie. In jedem dieser Sektoren hat es in der jüngeren Vergangenheit sehr gute Entwicklungen gegeben, etwa in der Chirurgie die videoassistierte Thorakoskopie – Knopflochchirurgie oder die Lasersektion. In der Strahlentherapie sind nun viel gezieltere Bestrahlungen möglich. Durch die Hochdosisbestrahlung ist es möglich, den Tumor mit höheren Dosen zu bestrahlen, gleichzeitig aber das umliegende Gewebe zu schonen, wodurch eine geringere Nebenwirkungsrate erreicht werden kann.

Diese beiden Therapieformen kommen eigentlich jedem in den Sinn, wenn er an Krebs denkt. Wie sieht die systemische Therapie aus?

Die systemische Therapie unterscheidet ebenfalls wieder drei Säulen. Erstens die klassische Chemotherapie, die schon länger bekannt ist, zweitens die zielgerichtete Therapie und drittens die Immuntherapie, wobei sich bei den beiden Letzteren sehr viel getan hat.

Nach welchen Kriterien entscheidet man, welche Therapieform zur Anwendung kommt?

Man muss von Anfang an unterscheiden und festlegen, ob man einen heilenden oder einen nichtheilenden Ansatz hat. Bei einer lokalen (örtlich begrenzten) Erkrankung kann mit der Kombination von Operation, Strahlentherapie mit oder ohne Chemotherapie versucht werden, den Patienten zu heilen. Da muss man sicherlich manchmal an Grenzen gehen, weil die Heilung im Vordergrund steht.

Bei dieser Patientengruppe kommt die zielgerichtete Therapie oder Immuntherapie außerhalb von Studien noch nicht zum Tragen. Leider können PatientInnen mit einer lokalen Erkrankung trotz entsprechender Therapie ein Rezidiv oder eine fortgeschrittene Erkrankung entwickeln, daher ist die Nachsorge sehr wichtig. 

Wie sieht die Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung aus?

Die Hälfte der PatientInnen ist bei der Erstdiagnosestellung bereits in einem fortgeschrittenen metastasierten Stadium. Da steht die Erhaltung der Lebensqualität im Vordergrund. Das heißt, wir haben es hier mit PatientInnen zu tun, von denen wir wissen, dass die Lebenszeit begrenzt ist. Die PatientInnen fragen da natürlich oft, wie lange es denn noch geht – das können wir nicht sagen.

Wir können nur sagen, dass im metastasierten Stadium eine metastasierte Erkrankung vorliegt und wir mit unseren Methoden alles daran setzen, die Erkrankung für den Patienten möglichst gut lebbar zu machen. Die Ziele der Therapie sind also eine Verbesserung der Lebensqualität, Linderung der Beschwerden, die Verlängerung der Lebenszeit und möglichst milde Nebenwirkungen durch die entsprechende Therapie.

Gibt es Therapieformen, die besonders geringe Nebenwirkungen zeigen?

Jeder Patient ist ein Individuum und jeder Patient reagiert auf jede Therapie individuell. Manche PatientInnen stecken eine Chemotherapie locker weg, andere haben heftige Nebenwirkungen. Man kann bei keinem Patienten im Vorhinein sagen, ob er schwere, leichte oder sogar gar keine Nebenwirkungen haben wird.

Wir versuchen natürlich, ausgehend von unseren Erfahrungen, Wissen und unterstützenden Therapien, die Behandlung entsprechend nach gewissen Kriterien an den Patienten anzupassen, aber es ist nicht garantiert, dass das dann auch so funktioniert, wie wir es uns wünschen. Der Vorteil der zielgerichteten Therapie als auch der Immuntherapie liegt darin, dass die Verträglichkeit deutlich besser ist als die der Chemotherapie.

Wie geht man bei der Therapie allgemein vor?

Am Anfang schaut man sich an, ob der Patient von einer zielgerichteten Therapie profitieren kann. Der Pathologe führt eine genetische Analyse am entnommenen Tumormaterial durch. Wenn der Patient eine entsprechende genetische Veränderung aufweist, wie eine aktivierende EGFR-Mutation oder eine EML4ALK-Translokation, erhält er eine zielgerichtete Therapie in Form von Tabletten in der ersten Therapielinie und somit keine Chemotherapie.

Der Vorteil ist, dass man vorher messen kann, ob ein entsprechender Rezeptor vorhanden ist und kann dann ganz gezielt auf diesen Rezeptor einwirken, der eine wichtige Wachstumsfunktion im Tumor hat. Durch die Blockade von diesem kann in dem meisten Fällen das Wachstum des Tumors deutlich eingeschränkt werden. Für PatientInnen, die keine entsprechende genetische Veränderung aufweisen, steht nach dem Versagen der Erstlinienchemotherapie die Immuntherapie zur Verfügung.

Wie sieht diese Therapieform in der Praxis aus?

Die häufigste genetische Veränderung ist eine aktivierende EGFR-Mutation. Diese findet sich bei ca. 10-15 Prozent aller PatientInnen mit einem NSCLC. Hier wird mittels EGFR-Rezeptorhemmern, auch Tyrosinkinaseinhibitoren genannt, versucht, den Tumor zu bekämpfen.  Es sind Tabletten, die täglich eingenommen werden. Natürlich können auch hier Nebenwirkungen vorkommen, etwa Hautausschläge, Durchfall oder Nagelbettentzündungen. Im Vergleich zur Chemotherapie sind diese aber deutlich milder und durch entsprechende Therapie sowie entsprechender Dosismodulation recht gut in den Griff zu bekommen.

Next article