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Patientenstorys

Reden ist Gold, Schweigen keine Alternative

Foto: Peter Olexa via unsplash

Christa Bleyer

Krebspatientin

Christa Bleyer hat das Herz am rechten Fleck, oft trägt sie es auf der Zunge. Dass sie seit 22 Jahren Krebspatientin ist, hat daran nichts geändert. Denn nur wer darüber redet, kann den Krebs auch bewältigen.

Du gehst sehr offen mit deiner Krankengeschichte um. Wie wichtig ist das?

Das ist ganz wichtig. Reden, Dialog, Kommunikation – das ist ein bedeutender Teil des Genesungsprozesses. Für mich spielt der Austausch mit Betroffenen eine große Rolle. Nicht nur über Erfahrungen mit Therapien oder Krankheitsverläufen, sondern auch dann, wenn man einfach nur mal ein liebes Wort braucht. Anderen Krebskranken muss man nicht lange erklären – sie verstehen. In unserer Community pflegen wir einen Austausch auf Augenhöhe – ohne „Sudern“ oder „Jammern“. Das schweißt zusammen und gibt Kraft und Mut. Mir hilft es ungemein, Freundinnen und Freunde zu haben, bei denen ich zu jeder Tages- oder Nachtzeit anrufen kann. Ich sage immer: Ich bin meinem Krebs dankbar. Ohne ihn hätte ich so viele großartige Menschen nicht kennengelernt.

Wie hat sich die Situation durch die Pandemie verändert?

Die Kommunikation übers Handy ist noch wichtiger geworden, weil der direkte Kontakt fehlt und die meisten von uns überwiegend zu Hause sind. Die Leute freuen sich noch mehr, wenn man an ihrem Leben Anteil nimmt. Wenn beispielsweise jemand aus der Community ein Staging (Anm.: Feststellung des Ausbreitungsgrades eines Tumors) hat, dann zittern gut 100 Leute mit und warten aufs Ergebnis. Generell läuft Kommunikation vermehrt über Social Media und Videokonferenzen.

Ich bin meinem Krebs dankbar. Ohne ihn hätte ich so viele großartige Menschen nicht kennengelernt.

Bedingt durch die Pandemie kann man Angehörige im Krankenhaus nur selten besuchen – meistens einmal die Woche. Gerade darum wäre es wichtig, in allen Krankenhäusern ausreichend schnelles WLAN sicherzustellen – um online kommunizieren zu können. Ohne Besuch fehlt nicht nur der Beistand, sondern auch die Ablenkung. Eine schwierige Situation.

Was braucht es für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung?

Zeit ist ein wichtiger Faktor. Das fängt damit an, dass man eine gefühlte Ewigkeit braucht, um unmittelbar nach der Krebsdiagnose dem Gespräch wieder folgen zu können. Hier wäre es sinnvoll, eine Vertrauensperson mitbringen zu dürfen. Häufig verwenden Ärztinnen und Ärzte auch Fachvokabular – es fällt ihnen schwer, die Krankheit verständlich zu beschreiben. Aber es gibt auch positive Ausnahmen: So hat sich der Chef der Gynäkologie beispielsweise einmal zu mir hingesetzt und ist mit mir alle Vor- und Nachteile einer OP durchgegangen. Das ist stets immens bereichernd, wenn sich ein Arzt Zeit für Erklärungen und Fragenbeantwortung nimmt. Weiters sollte Kommunikation in der Ärzteausbildung einen zentralen Stellenwert einnehmen. Mediziner sollten gezielt lernen, aktiv zuzuhören und schlechte Nachrichten behutsam zu überbringen. Oft weiß das Pflegepersonal viel besser als die Ärzteschaft darüber Bescheid, wie es den Patienten geht, weil sie auch mehr Zeit mit diesen verbringen. Dass es häufig an Zeit mangelt, ist natürlich ein allgemeines Problem des Gesundheitssystems.

Ist Zeit im eigenen sozialen Umfeld auch ein so wichtiger Faktor?

Freunde, die keine Zeit haben, sind keine Freunde. Wenn eines meiner Krebs-Mädels anruft und sagt: „Ich brauche dich“, dann fahre ich hin und bin für sie da. In einer bereichernden Kommunikationssituation ist Zeit kein Thema. Es geht einzig und allein darum, sich zu öffnen und sich zu trauen, jemandem seine Sorgen und Nöte anzuvertrauen. Natürlich muss man sich überlegen, ob das Gegenüber mit dem Gesagten gerade auch umgehen kann. Wenn jemand selbst Sorgen hat, dann möchte ich ihn nicht
noch zusätzlich mit meinen Problemen belasten. Ich denke, es ist generell nicht die beste Strategie, alles für sich zu behalten – weder für einen selbst noch für das soziale Umfeld. Gerade in einer Beziehung sollte es möglich sein, dem Partner seine Sorgen und Wünsche anzuvertrauen. Denn oft führt falsch verstandene Rücksichtnahme zu Kommunikationsproblemen.

Deshalb: Redet über Krebs, brecht das Tabu und helft anderen damit.

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