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Assoz. Prof. Priv.- Doz. Dr. Marija Balic

klinische Abteilung für Onkologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin, LKH- Univ. Klinik Graz, Vizepräsidentin der ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group)

Wie Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs umgehen und welche Rolle Behandler(innen) dabei spielen, erklärt Prof. Dr. Marija Balic im Interview.

Auf Basis Ihrer Erfahrung als langjährige Spezialistin: Wie gehen Patientinnen mit der Diagnose um?

Zu Beginn ist es immer ein Schock. Gleichzeitig ist es notwendig, dass sich die Patientinnen mit der Diagnose auseinandersetzen. Die Mehrheit der Patientinnen fasst dann Mut, zusammen mit dem Wunsch nach einem guten Leben mit einer möglichst guten Lebensqualität. Es hängt aber natürlich auch davon ab, welche Brustkrebsart vorliegt. Bei langsameren Erkrankungen gewöhnen sich die Patientinnen zumeist daran, dass sie gut damit leben können und dass sie ihr Leben mit gewissen zusätzlichen Erfahrungen, die die Erkrankung mit sich bringt, meistern können. Bei schnelleren, aggressiveren Erkrankungen ist die Ausgangslage anders – gerade auch wenn die Patientinnen durch Beschwerden eingeschränkt sind. Dann steht das Bekämpfen der Erkrankung als akute Bedrohung im Vordergrund.

Wie sollte die Arzt-Patienten- Kommunikation im besten Fall ablaufen?

Ich versuche einzuschätzen, wo die Patientinnen überhaupt stehen, wie der Informationsstand ist und welche Erwartungen sie haben. Es geht dabei um gutes Zuhören, um dadurch rausfiltern zu können, wie der Wissensstand ist. Das ist wichtig, um die Patientinnen abzuholen und gemeinsam arbeiten zu können.

Das heißt, es geht dabei um ein Ausloten zwischen Emotionen und Wissensvermittlung?

Genau! Bei Patientinnen, die man schon aus früheren Situationen kennt und bei denen es dann zu Metastasierungen kommt, hat man natürlich eine andere Gesprächsbasis als bei primär metastasierten Patientinnen, bei denen man das Thema gleich im ersten Gespräch erfassen muss.

Gibt es psychologische Unterstützung für Patientinnen?

Mittlerweile hat sich die psychoonko- logische Begleitung in allen Abteilungen etabliert. Das begrüße ich, weil es Bereiche gibt, die ich als Onkologin nicht abdecken kann. Auch das versuche ich in Gesprächen abzuschätzen, ob Patientinnen für das psychologische Zusatzangebot offen sind.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pande- mie auf die Situation von Patientinnen?

Die Pandemie hat einen sehr vielfältigen Einfluss. So besteht etwa eine physische Barriere durch den Einsatz von Masken und Abstandsregeln. Dadurch ist ein großes Stück der Empathie gegenüber Patientinnen verdeckt und die Spontanität der Kommunikation eingeschränkt. Wir haben gelernt, auch mit Masken Empathie und Verständnis vermitteln zu können. Im onkologischen Bereich ist das Verständnis für die Maßnahmen groß, und auch die Akzeptanz für die Impfung ist hoch. Gerade bei Patientinnen mit metastasierten Brust- krebserkrankungen spielt natürlich auch die begrenzte Lebenszeit eine Rolle und damit auch der Wunsch nach mehr Freiheit.

Welche inspirierenden Erfahrungen haben Sie vielleicht auch insbesondere im letzten Jahr gemacht?

Inspirierend für mich sind vor allem die zunehmenden Behandlungsmöglichkeiten und die vergrößerte Palette an Medikamenten, die uns heute zur Verfügung stehen. Wir können heute bei einer Mehrheit unserer Patientinnen bessere Therapien mit weniger Nebenwirkungen einsetzen und ihnen damit auch eine bessere Lebensqualität ermöglichen. Im letzten Jahr habe ich außerdem einige inspirierende Momente erlebt, in denen sich Patientinnen mit schwerstem klinischem Bild dank neuester medikamentöser Ansätze wieder zur Normalität hin entwickeln konnten. Da ist man dann wirklich wieder mit Freude Onkologin!

 AT-4970, 06/2021 

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