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Lungenkrebs: Neue Behandlungen, altes Risiko

In Kooperation mit
Foto: Robina Weermeijer via unsplash
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Oberarzt Dr. Maximilian J. Hochmair

Leiter der pneumo-onkologischen Ambulanz + Tagesklinik, Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie
Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie

Die Behandlung von Lungenkrebs hat sich in den letzten Jahren auch dank heimischer Forscher(innen) stetig und deutlich weiterentwickelt.
Der Risikofaktor ist jedoch derselbe geblieben, erklärt Maximilian Hochmair, Leiter der pneumo-onkologischen Ambulanz der Klinik Floridsdorf.

Wie ist es um die Versorgung von Krebspatient(inn)en in Österreich bestellt?

Das österreichische Gesundheitssystem gehört sicherlich zu den Top-5-Ländern in der Krebsversorgung. Beim Lungenkarzinom gibt es ein sehr enges Zusammenspiel zwischen den Lungenfachärzt(inn)en und den onkologischen Therapiezentren. Es gibt einen sehr guten Zugang zu neuen Therapien und Substanzen. Das trifft auch auf Neuentwicklungen zu, die sich gerade in der Zulassungsphase befinden.

Wie stellt man sicher, dass Patienten wirklich an jenen Therapiestudien teilnehmen, die für sie auch sinnvoll sind?

Das ist die Aufgabe der behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie der Therapiezentren. Nicht zugelassene Therapien kommen nur dann zum Tragen, wenn die Patienten ansonsten austherapiert sind, das heißt, wenn das gesamte Repertoire an sinnvollen und möglichen Behandlungen ausgeschöpft ist. Manchmal sind Patienten auch bereits zu schwach für zugelassene Therapien. In solchen Fällen kann man dann auch auf nicht zugelassene Therapien zurückgreifen, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Wie hat sich die Versorgung der Krebspatienten weiterentwickelt?

Ich habe meine Laufbahn 2002 an der Berliner Charité begonnen. Im Bereich der Lungenkrebstherapie herrschte weitgehend Stillstand. Die Behandlung war stark standardisiert. Mittlerweile schreitet die Entwicklung extrem schnell voran, was ein radikales Umdenken in der Therapie eingeleitet hat.

Wo liegen die großen Neuerungen?

Jede Patientin und jeder Patient ist ein Individuum. Man hat schon immer versucht, die Wünsche der Patienten in der Behandlung zu berücksichtigen. Mittlerweile haben wir aber auch die Möglichkeiten, die Therapie exakt auf die Patienten abzustimmen. Biomarkeranalysen und die Bestimmung von Rezeptoren helfen dabei, den Tumor genau zu bestimmen, um Ansatzpunkte für eine Behandlung zu identifizieren. Zunehmend wird versucht, diese Bestimmung von Tumorzellen und etwaigen Resistenzen nicht nur durch eine Biopsie des betroffenen Lungengewebes, sondern auch über das Blut zu bestimmen. Das ist eine viel präzisere Bestimmung als früher, wo man nur zwischen kleinzelligen und nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen unterschieden hat. Auf diese NSCLC – non-small-cell lung cancer – entfallen mit rund 85 Prozent auch die meisten Erkrankungen. In dieser Gruppe sind Adenokarzinome am häufigsten, gefolgt von Plattenepithelkarzinomen und großzelligen Karzinomen. Gerade bei den Adenokarzinomen haben wir dank Immuntherapie und zielgerichteter Therapie große Fortschritte gemacht.

Was zeichnet die zielgerichtete Therapie aus?

Anders als etwa bei einer Chemotherapie richten sich diese Therapien spezifisch an einen Angriffspunkt des Tumors. Dabei wird jener Rezeptor an der Tumorzelle blockiert, der das Wachstum der Zellen auslöst. Die Therapie lässt sich bei etwa 25 bis 30 Prozent der NSCLC-Patient(inn)en anwenden, die eine solche Treibermutation vorweisen.

Was versteht man unter Immuntherapie?

Manche Krebszellen entwickeln Eigenschaften, die die Wirkung des Immunsystems blockieren. Die Abwehrzellen greifen die Krebszellen dann nicht an. Bei der Immuntherapie werden intravenös Antikörper verabreicht, die diesen Mechanismus aushebeln. Der Tumor verliert so seine Tarnkappe und wird wieder vom Immunsystem erkannt und in der Folge bekämpft. Bei rund einem Viertel der Patienten, die eine Immuntherapie erhalten haben, wird die Prognose grundlegend verbessert.

Es gibt in Österreich einen sehr guten Zugang zu neuen Therapien und Substanzen.

Gleichzeitig sind die Nebenwirkungen deutlich geringer als bei einer Chemotherapie. Manche Patienten sind aber resistent gegenüber der Immuntherapie. Der Erforschung dieser bisher unbekannten Resistenzmechanismen kommt daher eine hohe Priorität zu.

Was bedeutet das für die Patienten?

Gerade im fortgeschrittenen Stadium einer NSCLC-Erkrankung haben sich die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung deutlich verbessert. Umfangreiche Tests im Vorfeld der Behandlung helfen aber nicht nur dabei, passende Therapien zu finden, sondern auch, den Patienten wenig effektive Behandlungen zu ersparen. Es kommen kontinuierlich neue, effektivere Substanzen hinzu. Gleichzeitig lernen wir aber auch immer mehr über die Kombination und den bestmöglichen Anwendungszeitpunkt von Therapien. Ist der Krebs aber bereits metastasiert, können wir nicht heilen, sondern die Patienten nur palliativ begleiten. Hier liegt noch viel Forschungsarbeit vor uns, bis wir hier auch wirkliche Behandlungserfolge vorweisen können. Darum sei auch hier noch einmal darauf hingewiesen, dass viele Lungenkrebserkrankungen vermeidbar wären. Fast neun von zehn werden durch das Rauchen ausgelöst. Damit ist Lungenkrebs eine der wenigen Krebserkrankungen, für die sich ein konkretes und auch vermeidbares Risikoverhalten benennen lässt.

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