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Expertise

CAR-T-Zelltherapie

Foto: Louis Reed via unsplash

Univ.-Prof. Dr. Hildegard Greinix

Klinische Abteilung für Hämatologie LKH-Universitätsklinikum Graz

Wofür steht „CAR-T“ und was steckt dahinter?

Chimäre Antigenrezeptor-T-Zelltherapie (CAR-T-Zelltherapie) ist eine neue Form der Immuntherapie zur Behandlung von Leukämien und Lymphomen. Sie beruht auf der gentechnischen Veränderung von bestimmten weißen Blutkörperchen, den T-Lymphozyten. Für die Herstellung werden T-Zellen mittels Leukapherese aus dem Blut des Patienten gewonnen, wobei das gesamte Blutvolumen mehrmals durch ein Gerät (Zellseparator) gefiltert wird. Danach wird in diese weißen Blutkörperchen in einem speziell ausgestatteten Labor ein neuer Rezeptor eingebracht, sodass diese gentechnisch veränderten T-Lymphozyten spezifisch die Leukämie- und Lymphomzellen erkennen, an diese binden können, dabei aktiviert werden und eine Zerstörung der Leukämie- und Lymphomzellen bewirken. Da die T-Lymphozyten mit einem neuen Antigenrezeptor aus verschiedenen Bausteinen, die normalerweise nicht zusammen vorkommen, verändert werden, wird der neue Antigenrezeptor als chimär (abgeleitet vom Mischwesen „Chimäre“, das in der griechischen Mythologie eine Zusammensetzung aus Löwe, Ziege und Schlange darstellt) bezeichnet.

Bei welchen Krebsarten kommt die CAR-T-Zelltherapie hauptsächlich zum Einsatz?

Derzeit sind in Europa nur CAR-T-Zelltherapien von den Arzneimittelbehörden zugelassen, die bei akuten lymphatischen Leukämien bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis 25 Jahre, bei erwachsenen Patienten mit diffus großzelligem B-Zell- Lymphom und Mantelzelllymphom eingesetzt werden. Sehr bald wird es in Europa auch eine CAR-T-Zelltherapie für Patienten mit wiederkehrendem und nicht auf andere Behandlungen ansprechendem multiplem Myelom geben. Klinische Studien mit CAR- T-Zellen laufen auch bei verschiedenen anderen Erkrankungen wie akuter myeloischer Leukämie, chronischer lymphatischer Leukämie, anderen Lymphomarten und soliden Tumoren wie dem Prostatakarzinom und Glioblastom.

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Was sollten Patienten im Vorfeld wissen? Gibt es bestimmte Befürchtungen, die immer wieder auftauchen?

CAR-T-Zelltherapien sind derzeit von den Arzneimittelbehörden nur für Patienten zugelassen, deren Erkrankung nach mindestens zwei verschiedenen Vorbehandlungen wiederkehrt oder die auf diese Vorbehandlungen in Form von Chemoimmuntherapien nie angesprochen haben. Da diffus großzellige B-Zell-Lymphome eine sehr rasche Wachstumstendenz haben, ist es sehr wichtig, dass die Patienten möglichst bald im Krankheitsverlauf und möglichst rasch in einem CAR-T-Zellzentrum vorgestellt werden, damit diese Behandlung rasch geplant werden kann. In der Regel dauert es vier bis fünf Wochen, bis nach der Sammlung der weißen Blutkörperchen die gentechnisch modifizierten T-Lymphozyten im CAR-T-Zellzentrum eintreffen. Dieser Zeitraum muss so überbrückt werden, dass das Lymphom zurückgedrängt wird und die Patienten möglichst geringe Beschwerden haben und in gutem Allgemeinbefinden bleiben, damit die CAR-T-Zelltherapie nach Eintreffen der Zellen auch durchgeführt werden kann. Ist die Lymphomerkrankung zu diesem Zeitpunkt nicht stabil, kann es leider vorkommen, dass die Patienten die CAR-T-Zelltherapie nicht mehr erhalten können. Das ist auch der Fall, wenn sie eine aktive Infektion haben, die nicht unter entsprechender Behandlung abgeklungen ist.

Gibt es spezielle Nebenwirkungen bei der CAR-T-Zelltherapie, auf die man achten sollte?

Ein Cytokine Release Syndrome (Zytokinfreisetzungssyndrom, CRS) tritt als akutes bis subakutes Krankheitsbild mit Fieber nicht infektiöser Ursache, grippeähnlichen Symptomen, niedrigem Blutdruck und Sauerstoffmangel nach Gabe von CAR-T- Zellen auf. Beim CRS handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass zuerst alle anderen Ursachen für diese Symptome ausgeschlossen werden, bevor eine CRS diagnostiziert wird. Insbesondere infektiöse Ursachen stellen eine wichtige Differenzialdiagnose dar, die eine entsprechende Diagnostik und die zeitnahe Einleitung einer antibiotischen Therapie erforderlich macht.

Daneben können neurologische Beschwerden auftreten, die Immuneffektor-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) genannt werden. Im Rahmen eines ICANS können eine Vielzahl neurologischer Symptome wie Kopfschmerzen, Zittern, Sprachstörungen, Veränderungen des Schriftbildes, Veränderungen des Gemütszustandes oder Agitation einzeln oder kombiniert auftreten. Ein ICANS tritt als vielgestaltiges Krankheitsbild in Erscheinung, das leicht- und schwergradig verlaufen kann und bei dem es sich auch um eine Ausschlussdiagnose handelt. Die Abklärung erfordert immer den Ausschluss neurologischer Nebenwirkungen anderer Ursache. ICANS ist nach dem CRS die häufigste Nebenwirkung einer Therapie mit CAR-T-Zellen. Die Neurotoxizität tritt je nach CAR-T-Zell-Präparat typischerweise fünf bis sechs Tage nach CAR-T-Zell-Gabe auf und weist eine Dauer von im Median sechs bis 17 Tagen auf.

Zur Behandlung des CRS und des ICANS werden je nach Schweregrad intravenöse Flüssigkeit, Sauerstoff über die Nasenbrille, Tocilizumab und Kortison zur Unterbrechung der Zytokinausschüttung eingesetzt. Die Mitarbeiter aller CAR-T-Zellzentren sind auf das Auftreten dieser Komplikationen speziell geschult und wissen daher sehr gut, wann sie Patienten engmaschig überwachen müssen und welche Behandlungen umgehend durchzuführen sind.

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