Home » Expertise » Blasenkrebs bleibt bei Frauen häufig unbeachtet
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Frauen nehmen später urologische Hilfe in Anspruch und haben im Fall einer Erkrankung mit aggressiveren Verläufen zu kämpfen, erklärt der Urologe Shahrokh Shariat.

Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat

Leiter der Universitätsklinik für Urologie AKH Wien 
Gründer von Stop Blasenkrebs

Die Urologie ist sehr stark mit dem männlichen Körper assoziiert. Hält das Frauen davon ab, den Urologen/die Urologin aufzusuchen?
Die Urologie ist deshalb stark mit Männergesundheit assoziiert, weil sie beim Mann den gesamten urogenitalen Bereich abdeckt, während die Gynäkologie die weiblichen Genitalien behandelt. Die Urologie ist aber für viele Erkrankungen zuständig wie Harninkontinenz, rezidivierende Harnwegsinfekte, Nierensteine, Nieren- und Blasentumore, die nicht durch das Geschlecht definiert sind. Das heißt die Urologie ist nicht nur für Männern, sondern auch für Frauen und intergeschlechtliche Menschen relevant. Auch in der Ausbildung entscheiden sich  mittlerweile mehr Frauen als Männer für die Urologie. Es ist aber in der Tat so, dass Frauen oft nicht zum Urologen oder zur Urologin gehen, wenn sie ein Problem haben. Erste Anlaufstelle sind in der Regel Allgemeinmediziner:innen oder Gynäkolog:innen. Bei komplexeren Erkrankungen urologischer Natur pendeln sie häufig zwischen diesen beiden und schaffen den Sprung zum Urologen oder zur Urologin zu spät – weil sie nicht daran denken oder nicht weiterverwiesen werden. Das heißt, es dauert länger bis zur richtigen Diagnose und Lösung des Problems.

Was bedeutet das für die Behandlung von Blasenkrebs?
Ich habe mit meinenArbeitsgruppen in den USA und in Österreich in den letzten 23 Jahren zahllose Studien durchgeführt, um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verstehen. Wir konnten etwa zeigen, dass unter  den gesamt zehn häufigsten Krebserkrankungen,Blasenkrebs diejenige ist, die bei Frauen erst in einem späteren Stadium diagnostiziert wird. Und dass, obwohl Frauen allgemein gesundheitsbewusster sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen in jedem Stadium der Erkrankung schlechtere Prognosen als Männer haben. Frauen werden zudem häufig Lebensqualität-erhaltende Operationen nicht angeboten. Aber selbst in Österreich – wo es eine umfassende Gesundheitsversorgung gibt und Patient:innen direkt zum Facharzt/zur Fachärztin gehen können – ist es so, dass eine Patientin mit sichtbarem Blut im Harn drei bis fünf ärztliche Termine hat, bis sie urologische Hilfe in Anspruch nimmt. Dabei verstreicht oft wertvolle Zeit. Frauen sind deshalb, aber auch aufgrund biologischer und anatomischer Gründe, von aggressiveren Krankheitsverläufen und einer höheren Sterblichkeit betroffen. Das bedeutet zugleich schwerwiegendere Eingriffe mit größeren Nebenwirkungen und höhere Einbußen an Lebensqualität. 

Was sind typische Symptome und wie unterscheiden sie sich von einer Blasenentzündung?
Häufiger Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen, trüber oder blutiger Harn sowie Unterleibsschmerzen sind häufige Symptome einer Blasenentzündung. Die Symptome überlappen sich mit jenen des Blasenkrebses, wo zusätzlich noch Abgeschlagenheit, Rückenschmerzen und Gewichtsverlust auftreten können. Das wichtigste Symptom ist aber sichtbares Blut im Harn ohne Schmerzen oder Brennen – das sollte unverzüglich urologisch abgeklärt werden, insbesondere dann, wenn man zu einer Risikogruppe gehört. Selbiges gilt auch dann, wenn sich bei einer vermeintlichen Blasenentzündung trotz Medikation keine Besserung einstellt oder mehrmalig per Teststreifen unsichtbares Blut im Harn nachgewiesen wird. Es ist mir aber wichtig klarzustellen, dass man nicht zur Urologin oder zum Urologen geht, um eine Krebsdiagnose zu erhalten, sondern um diese auszuschließen.

Was sind zentrale Risikofaktoren?
50 bis 60 Prozent der Patient:innen sind Langzeit-Raucher:innen. Dabei ist Rauchen für Frauen noch etwas riskanter als für Männer. Der zweite zentrale Risikofaktor ist das Alter. Die Spitze der Inzidenz liegt um das 70. Lebensjahr herum. Man kann auch als junge, nicht rauchende Frau an Blasenkrebs erkranken, die Wahrscheinlichkeit ist aber deutlich niedriger. Das Risiko ist auch dann höher, wenn man aus einer Familie stammt, in der Blasenkrebs bereits aufgetreten ist – etwa, weil in der Familie viel geraucht wird. Eine eindeutige genetische Komponente wie die BRCA-Mutation bei Brustkrebs gibt es allerdings nicht. 

Wie lässt sich die Behandlungsqualität von Frauen verbessern?
Blasenkrebs ist bei Frauen eine wenig beachtete Erkrankung. Zwar erkranken Männer etwa dreimal so häufig, aber mit ca. 370  jährlichen Fällen in Österreich ist Blasenkrebs auch bei Frauen eine relevante Erkrankung. Allein schon deshalb, weil viele trotz anfänglich erfolgreicher Behandlung immer wieder Rezidive haben, was zu einer extrem hohen Prävalenz dieser Erkrankung mit engmaschigen Kontrollen und vielen Eingriffen führt. Die Allgemeinmediziner:innen und Gynäkolog:innen sind darum auch aufgefordert, Blasenkrebs als mögliche Ursache auf dem Radar zu haben. In den meisten  Fällen funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Wir müssen aber sicherlich für noch mehr Awareness sorgen, damit auch die Patientinnen selbst daran denken, die Urologin oder den Urologen aufzusuchen, wenn sie sichtbares oder repetitiv sichtbares Blut im Harn ohne Schmerzen oder Brennen haben. 

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