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Expertise

Besser leben trotz Krebs

Pink blue ribbon awareness (isolated with clipping path) bow color for newborn birth defect, Sudden Infant Death Syndrome (SIDS), pregnancy Loss on helping hand
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iStock/Chinnapong

Jede Krebserkrankung ist eine einschneidende Lebenserfahrung. Die Psychoonkologie soll helfen, dem Kampf mit dem Tumor seinen Schrecken zu nehmen. Wie, das erklärt Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl, Leiter der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin V.

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Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl

Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin V in Innsbruck © Uniklinik Innsbruck

Was ist Psychoonkologie?

Psychoonkologie beschäftigt sich mit allen seelischen und sozialen Aspekten der Krebserkrankung. Die Psychoonkologie kümmert sich daher um die Betroffenen, die Angehörigen, aber auch um die BetreuerInnen. Damit ist die Psychoonkologie als Teilbereich aller Disziplinen zu sehen, die sich mit dem krebskranken Menschen beschäftigen.

Was ist das Ziel der psycho-onkologischen Begleitung?

Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten. Dazu zählen die Entängstigung und Unterstützung in einer lebensbedrohlichen Situation. Was dem einzelnen Patienten gut tut, ist natürlich unterschiedlich. Bei manchen ist es Bewegung, bei anderen soziale Interaktion oder Gespräche und Wissensvermittlung. Wieder andere kann man mit Tipps zu Schlafrhythmus und Ernährung unterstützen. All das kann helfen, Stress abzubauen und das verändert wiederum den Hormonhaushalt und verbessert die Immunabwehr des Körpers. Die Krebsmedizin ist traditionell stark reparativ ausgerichtet. Die Psychoonkologie zielt, aus medizinischer Perspektive betrachtet, auf die Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Es gibt Hinweise dafür, dass dadurch auch ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf zustande kommt.

Wie ändert sich dabei das Verhältnis zwischen Ärzteschaft und PatientInnen?

Der Patient soll zu einem Partner in der Behandlung werden, er soll quasi Co-Manager der eigenen Erkrankung werden. Das ist eine fundamentale Abkehr vom patriarchalen Arzt-Patienten Verhältnis. Das erfordert viel Information und Wissen auf Seiten der Patienten, was wiederum Sicherheit gibt und Ängste abzubauen hilft. Ein Patient, der sich gut betreut fühlt, steht der Therapie aufgeschlossener gegenüber und nimmt diese besser an. Das ist natürlich auch deshalb enorm wichtig, weil eine Krebstherapie mit hohen Kosten verbunden ist.

Wer sorgt für diese Betreuung?

Die Psychoonkologie sollte von allen befassten Disziplinen getragen werden: Ärzteschaft, Pflegepersonen, Therapeuten und Psychologen. Deshalb ist es entscheidend, dass psychoonkologische Gesichtspunkte bereits während der Ausbildung berücksichtigt werden. Gerade im Bereich der Ausbildung schlummern noch ungenutzte Potentiale. Aufgrund der sich verändernden Altersstruktur werden die Prävalenz von Krebserkrankungen und damit auch der Bedarf an gut ausgebildetem Personal steigen. Die Rolle einer entsprechenden Ausbildung kann daher mit Blick auf die Zukunft gar nicht hoch genug eingestuft werden.

Wann beginnt diese Betreuung?

Idealerweise bei der Diagnose der Krankheit, weil diese die Patienten einer hohen Stressbelastung aussetzt. Da die Patienten auch nachher noch periodisch hohe Belastungen erfahren, etwa durch Untersuchungsergebnisse, gibt es auch keinen klaren Endpunkt der Betreuung. Die medizinische Entwicklung wird auch dazu führen, dass Patienten mit Tumorbehandlungen länger mit und auch nach Erkrankungen leben werden. Das wird auch Einfluss auf die Form der Betreuung nehmen: Punktuelle wird im Verhältnis zur kontinuierlichen Betreuung an Bedeutung gewinnen.

Wie wichtig ist das soziale Umfeld?

Das Umfeld erfüllt viele soziale Bedürfnisse: Die Möglichkeit im Alltag zu kommunizieren, um die hohe Stressbelastung zu lindern, ist von besonders großer Bedeutung. Dabei helfen natürlich auch gemeinsame Aktivitäten, gemeinsame Erlebnisse, die den Patienten Freude bereiten – egal, ob Sport oder Kultur. Man darf aber auch nicht vergessen, dass manche Patienten durch ihre Erkrankung in eine ökonomisch prekäre Lage gedrängt werden. Auch in diesem Bereich kann die Unterstützung des sozialen Umfelds eine große Erleichterung darstellen. Fehlt ein solcher Rückhalt, ist das zumindest keine ideale Situation. Leider kommt das aber gerade bei älteren oder alleinstehenden Menschen gar nicht so selten vor.

Werden Angehörige auch mitbetreut?

Wir versuchen explizit und von Anfang an das nähere soziale Umfeld einzubeziehen. Es ist wichtig, dass auch in der Familie die Scheu vor der Krankheit und die Ängste, die sie begleiten, abgebaut werden. Manchmal sind die Ängste der Angehörigen größer als die der Patienten. Es kommt sogar vor, dass Patienten uns darum bitten, ihre Angehörigen nicht über die Erkrankung zu informieren. Der Versuch, die Krankheit vor den Angehörigen zu verstecken, stellt einen zusätzlichen Stressfaktor dar und misslingt früher oder später ohnedies. Um solche Szenarien gänzlich zu vermeiden, werden Angehörige frühzeitig eingebunden und auch selbst psychoonkologisch betreut.

Wie lässt sich die psychoonkologische Betreuung weiter verbessern?

Indem wir Psychoonkologie als Haltung und Betreuungsstil aller an der Behandlung Beteiligten wahrnehmen. Um dies zu erreichen gilt es, die interdisziplinäre psychoonkologische Aus- und Weiterbildung weiter zu forcieren.

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