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Expertise

Eine Zeitreise durch die Krebsforschung

Senior Female Scientist Works with High Tech Equipment in a Modern Laboratory. Her Colleagues are Working Beside Her.
Senior Female Scientist Works with High Tech Equipment in a Modern Laboratory. Her Colleagues are Working Beside Her.
iStock/gorodenkoff

Krebs galt lange als unheilbar. Dennoch stellte die Medizin sich unermüdlich dem Krebs, studierte und behandelte ihn. Heute gibt es für viele Patienten deshalb begründete Hoffnung auf eine wirkungsvolle und erträgliche Therapie. Auf ein lebenswertes Leben mit der Diagnose Krebs – und Hoffnung auf Heilung.

Krebsforschung und Krebsbehandlungen in der Antike

Die alten Chinesen haben Krebs bereits um 3.000 vor Christus dokumentiert, sowohl Vorkommen, als auch Behandlungen. Die chinesische Medizin machte einst regulative Störungen im Organismus für Krebs verantwortlich. Sie versuchte, ihm mit Pflanzenkraft und Akupunktur beizukommen. Aus der altindischen Lehre Ayurveda um 2.000 vor Christus sind Krebsbehandlungen mit Mineralien und pflanzlichen Drogen überliefert.

Oberflächliche Tumore brannte man damals mit glühendem Eisen aus. Hippokrates nannte bösartige Krebstumore als Erster „Karkinoma“. Er schrieb Tumore ursächlich der Entmischung von Körpersäften zu und empfahl Entgiftung sowie eine Lebensweise, die schädliche Einflüsse auf Körper und Geist meidet („Diaita“). Wo es zu Hippokrates Zeiten nötig schien, entfernte man Tumore auch schon mit dem Messer.

Dem Krebs auf der Spur

Seit dem 18. Jahrhundert stand die Theorie, dass Krebs das Resultat lang anhaltender Reize sei. Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert diagnostizierte man mehr Krebsfälle. Der Historiker Daniel Kauz begründet das wachsende Sichtbarwerden des Krebses mit der steigenden Lebenswartung, die aus „besserer Hygiene und  dem allmählichen Rückzug der Infektionskrankheiten“ resultiere.

Ein Meilenstein in der Ursachenforschung war die Entdeckung des zellverändernden Wesens von Krebs im Jahr 1858 durch Rudolf Virchow. Um 1920 erzeugten Krebsforscher zum ersten Mal künstlichen Krebs in Tierversuchen.

Chirurgenstahl gegen Krebs

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gewann die Krebschirurgie an Bedeutung: Dank fortschrittlicher(er) Anästhesie und Antisepsis schnitten Chirurgen ab 1900 Tumore regelmäßig heraus. Der Statistik zufolge waren die Aussichten damals jedoch trotz der Krebsoperation noch recht trüb: Drei Jahre nach einer OP an der Brust beispielsweise waren 30 Prozent der Patientinnen gestorben, nach sechs Jahren lebte nur noch jede zehnte Frau.

Strahlen gegen Krebs

Es war auch zufällig, dass man Röntgenstrahlen in Tierversuchen als ein Mittel gegen Krebs entdeckte. Erste Therapien brachten den Patienten jedoch heftige Nebenwirkungen  und mitunter auch böse Folgeerkrankungen wie das sogenannte Röntgenkarzinom.

Die Strahlentherapie war in ihren Anfängen damit teilweise tödlich: für den Patienten – und nicht selten auch für die ihn behandelnden Mediziner. Es dauerte bis in die 1930er, dass Apparate kamen, die die Strahlen dosieren konnten. In Kombination mit operativen Eingriffen behandelte man damals Hautkrebs jedoch schon recht erfolgreich.

Chemie gegen Krebs

Während des Zweiten Weltkriegs wurden bei Experimenten mit chemischen Kampfstoffen – wieder zufällig – Substanzen identifiziert, die das Wachstum von Zellen zu hemmen vermochten. Zunächst wurde die Entdeckung jedoch verheimlicht, erst um 1950 verbreitete sich die Chemo von den USA aus in aller Welt.

Heute: Kombinierter, ganzheitlicher Einsatz von Therapien gegen Krebs

Jahrtausende kam die Diagnose Krebs einem Todesurteil gleich, oft wurde auf die Behandlung gleich ganz verzichtet. Mit der Eignung von Chirurgie, Bestrahlung und Chemotherapie als Krebstherapien änderte sich das. Die drei haben sich in jüngster Zeit rasant weiterentwickelt und zahlreiche Varianten hervorgebracht.

Doch nicht nur das: Sie kommen heute erfolgreich in Kombination gegen den Krebs zum Einsatz. Das Zusammenspiel verschiedener medizinischer Disziplinen in der Krebsbehandlung ist dem Wesen des gemeinsamen Gegners Krebs geschuldet, der sich nahezu im ganzen Körper breitmachen kann.

Mittlerweile kennt die Medizin mehr als 200 Krebsarten und ist ihrem Wesen auf der Spur. Immer mehr Onkogene, also Verursacher der abartigen Zellteilung und damit Verantwortliche für das Entstehen von Krebsgeschwüren, werden benannt. Ebenso erkennt man immer mehr ihrer körpereigenen Gegenspieler: die sogenannten Antionkogene (Krebs-Unterdrücker-Gene).

Das heißt: Die genetische und chemische Beschaffenheit des Krebses wird nach und nach aufgedeckt, wissenschaftlich dokumentiert und diskutiert. Zum Glück über Ländergrenzen hinweg, was sicher auch mit der digitalen Revolution unserer Zeit zu tun hat. Seit 2008 schon schreibt die internationale Wissenschaft vereint am bisher größten und teuersten Vorhaben der Krebsforschung überhaupt: dem Krebsgenom-Projekt.

Dabei stützt sich die moderne Krebsbehandlung auf eine Diagnostik, die dank Hochleistungstechnologien und auch dank Früherkennungsprogrammen für Risikogruppen heute früher denn je und schneller denn je verlässliche Ergebnisse liefert. Der Patient schwebt damit kaum noch im Ungewissen. Seinen begründeten Sorgen und Ängsten begegnen die Ärzte in den Krebszentren heute mit ihrem geballtem Wissen und Können um den Krebs.

Die Krebsexperten und vielerorts auch schon Psycho-Onkologen sitzen dort an einem Tisch (Tumorboard) mit dem Betroffenen und entwerfen auf Augenhöhe einen Behandlungsplan, zugeschnitten auf die spezifische Krebserkrankung und umsetzbar im Alltag, so dass der Patient möglichst wenig an Lebensqualität einbüßt.


  • 1846: Die Einführung der Vollnarkose öffnet die Tür zur modernen Ära der Krebsoperation
  • 1884: Verwendung der radikalen Mastektomie, um das Rückfallrisiko von Brustkrebs zu minimieren.
  • 1903: Erstmalige Anwendung der Strahlentherapie zur Behandlung von Krebs
  • 1943: Rückgang der Todesfälle bei Gebärmutterhalskrebs, dank Einführung des PAP-Tests
  • 1958: Bahnbrechender Fortschritt für die Krebsbehandlung: „Kombinations-Chemotherapie“
  • 1959: Dank Studien wird die Ursachenbeziehung zwischen Zigarettenrauchen und Lungenkrebs hergestellt
  • 1974: Erste Computertomographie (CT) an einem menschlichen Patienten
  • 1991: Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1930er Jahren, beginnt die Krebssterblichkeitsrate zu sinken
  • 1998: Neue Strahlentherapietechnik ermöglicht präzises Targeting von Tumoren in der Nähe von empfindlichem Gewebe
  • 2010: Studien zeigen, dass das jährliche Screening mit niedrig dosierten Spiral-CTScans (LDCT) das Risiko für ungenkrebs um 20% senkt
  • 2014: Die Anwendung von neuen Medikamenten in der CLL-Therapie, ermöglicht vielen Patienten neue Möglichkeiten der Behandlungen
  • 2015: Neue Formen der Immuntherapie zur Behandlung von Lungenkrebs

Therapien gestern und heute am Beispiel von Brustkrebs und Hautkrebs

Nehmen wir das Beispiel Brustkrebs: Bis in die 1970er-Jahre wurde eine an Krebs erkrankte Brust meist amputiert. Dennoch lag die Chance auf Heilung nur bei etwas über 50 Prozent. Inzwischen operiert man drei Viertel der Brustkrebspatientinnen brusterhaltend, 20 Jahre nach der Diagnose leben laut Studien heute noch mehr als 65 Prozent davon.

Das Beispiel Schwarzer Hautkrebs (Malignes Melanom) zeigt, dass die zielgerichtete Behandlung genetisch mutierter Melanome die Lebenserwartung von Patienten mit Metastasen deutlich verbessert. Ebenso bei Patienten mit Hellem Hautkrebs (Basalzellkarzinom). Bei Hautkrebs zeigen zudem moderne Immuntherapien große Erfolge: Sie enttarnen Tumore, so dass die körpereigene Abwehr (Immunsystem) die Krebszellen identifizieren und angreifen kann.

Zukunft mit Krebs heißt Leben, nicht Tod

Schon heute ist abzusehen, dass das wachsende Wissen um die Genetik des Krebses die Krebstherapie verändern wird. Mit der Identifikation des genetischen Defekts, der den Krebs wachsen lässt, wird der Arzt in die Lage versetzt, seinem Patienten gezielt die Substanz zu verabreichen, die die Krebszellen angreift.

So könnten Wirkstoffe künftig vielleicht Proteine ausschalten, die die Teilung und Verbreitung der Krebszellen fördern, diese in den Selbstmord treiben und Krebsstammzellen vernichten, die Rückfälle und Metastasen verursachen. 

Die ganzheitliche, interdisziplinäre Krebsbehandlung bringt dem Patienten damit mehr als ein Fünkchen Hoffnung: Sie bringt ihm die Chance auf Heilung. Und bei Krebsarten, die bislang unheilbar sind, bringt sie ihm zumindest die Chance auf ein würdevolles und lebenswertes Leben mit Krebs. Dass viele Krebsbehandlungen heute spürbar weniger und mildere Nebenwirkungen mit sich bringen, tut ein Übriges dazu.

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